7. SONNTAG IM JAHRESKREIS

23. Februar 2014

Lesungen: Lev 19,1-2.17-18 / Mt 5,38-48

Gedanken zu den Lesungen:

Schon am vergangenen Sonntag sprachen wir darüber, wie wir als Christen bei Jesus und so bei Gott Orientierung für unser Leben suchen. Er sagt uns, wie wir leben sollen, damit unser persönliches Leben und unser Leben miteinander gelingen kann. In den heutigen biblischen Lesungen geht es um weitere – herausfordernde - Beispiele, die in einer bildreichen, metaphorischen Sprache formuliert sind, und die wir deswegen auch nicht wortwörtlich verstehen dürfen. Es ist nicht möglich in einer Predigt, all diese Bilder und Metaphern, die Jesus im heutigen Evangelium verwendet, einzeln zu erklären: Das kann man nur z.B. in einer Bibelrunde, wo man dazu eine bis eineinhalb Stunden Zeit hat. Ich möchte deshalb nur versuchen, den tieferen Sinn dieser Beispiele Jesu zu erfassen, das, was er uns eigentlich sagen will.

Es beginnt schon mit dem Satz aus der ersten, alttestamentlichen Lesung: „Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig.“ Die Grundbedeutung des hebraischen Wortes „heilig“ ist „anders sein“. Gott ist heilig – er ist ganz anders als unsere irdische Wirklichkeit. Wir sollen heilig sein wie er, denn nach seinem Bild hat er uns erschaffen, etwas von ihm sollen wir wiederspielgeln, indem wir in unserer Lebensweise dem entsprechen, was Gott möchte. Er lässt es ja regnen über Gute und Böse, er möchte das Wohl aller Menschen. Unsere „Heiligkeit“ bedeutet deswegen nichts anderes, als unsere persönliche Beziehung zu Gott immer von Neuem zu vertiefen, seine Liebe ohne Vorbehalt und Zurückhaltung im eigenen Leben anzunehmen, aus ihrer Kraft zu handeln und sie weiterzuschenken. Wir sollen es ihm gleich tun. Das macht uns heilig.

Wenn wir das versuchen, dann werden wir unsere Mitmenschen lieben wie uns selbst, dann werden wir keinen Hass gegen den Mitmenschen im Herzen tragen, nicht nachtragend sein und keine Rachegefühle haben. Den Mitmenschen lieben heißt aber nicht unbedingt, ihn nur emotional zu lieben, indem wir ihn bei jeder Gelegenheit um den Hals fallen. Es kann auch bedeuten, dass wir ihn zurechtweisen, es ihm sagen, wenn etwas nicht in Ordnung ist, wo er sich falsch verhält, und wo wir uns deswegen ärgern. Es gibt nicht die Ausrede: „Damit habe ich nichts zu tun!“ oder die Abwehr: „Das geht dich nichts an.“ Diese „brüderlichen Zurechtweisung“ ist sicher oft eine unangenehm Pflicht, die zu der Nächstenliebe gehört. Jedes Mitglied der Gemeinschaft hat Verantwortung für das Ganze. Aber ich sage es ihm nicht, um ihn klein zu machen, sondern als Freund und aus ehrlicher Sorge.

Auffallend ist nun, dass im Alten Testament mit dem „Nächsten“ immer der Stammesgenosse, die „Kinder des eigenen Volkes“ gemeint ist. In den damaligen Verhältnissen war der Stamm, der Clan, die Großfamilie alles. Ohne sie konnte man nicht existieren. Aber wegen der knappen Ressourcen war deswegen auch jeder, der nicht zum Stamm gehörte, ein potenzieller Feind, ein Fremder, der das Leben des Stammes bedrohen könnte. Ihm galt also diese Nächstenliebenach der damaligen Vorstellung nicht, wie Jesus zitiert: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deine Nächsten lieben und deinen Feind hassen.“ Dieses Denken will Jesus durchbrechen. Das passt nicht, wenn wir Gott-entsprechend leben wollen, denn er „lässt es regnen über Gute und Böse“. Am Ende seiner Bergpredigt fasst Jesus es dann auch so zusammen: »Behandelt die Mitmenschen so, wie ihr selbst von ihnen behandelt werden wollt.« Wenn ich „ es tun will wie Gott“, dann behandele ich nicht nur Menschen so, die mir sympathisch sind, die ich mag, sondern grundsätzlich auch alle anderen Menschen, auch wenn sie mir nicht so liegen, unsympathisch, fremd, mir nicht wohlgesinnt, ja mir „Feind“ sind. Letztendlich geht es darum, den anderen, mit dem ich im Streit liege – den ich als „Feind“ betrachte – auch noch als Geschöpf Gottes zu sehen, der es regnen lässt über Gerechte und Ungerechte. Behandle auch deine Gegner als Menschen, mit Respekt!

Seid „heilig“, seid anders, weil Gott heilig ist: Nicht „Auge umd Auge, Zahn um Zahn“, nicht „Wie du mir, so ich dir“! Mache es wie Gott, der es trotzdem regnen lässt, sowohl Guten wie Bösen Gutes tun will. Nur so kann menschliches Zusammenleben, trotz aller Probleme und Konflikte, gelingen. Und das fängt klein an. Jemanden grüßen, das heißt jemanden beachten, den ich eigentlich nicht mag, weil er mir eventuell schon einmal geschadet hat. Nur da, wo wir als Menschen die Spirale von Gewalt und Gegengewalt durchbrechen, kann wieder etwas Menschliches wachsen. Ein Problem oder Konflikte durch Gewalt zu lösen, erzeugt eine Gewaltspirale, die nie Versöhnung bringen kann. Tagtäglich bekommen wir dafür Beispiele aus aller Welt auf unserem Bildschirm präsentiert.

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